Die Polizisten Paul Grüninger und Wilhelm Krützfeld

Teil 1

Haben Sie schon einmal etwas von den Polizisten Paul Grüninger und Wilhelm Krützfeld gehört, gesehen oder gelesen? Wenn nein, dann nehmen Sie sich etwas Zeit, um von deren Wirken in einer bewegten Zeit zu erfahren! Die Beschreibungen zu Paul Grüninger sind im Teil 1 und die zu Wilhelm Krützfeldt in Teil 2 zu lesen.

Paul Grüninger (* 27. Oktober 1891; † 22. Februar 1972) war ab 1919 Polizeihauptmann in St. Gallen. in der Schweiz. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reichim März 1938 führten stetig anwachsenden Repressalien und Gewalt gegen die Juden dazu, dass etwa die Hälfte der 192.000 österreichischen Juden innerhalb von etwa sechs Monaten versuchte, aus dem Land zu fliehen. Die Schweizer Regierung schloss die Grenzübergänge für Flüchtlinge aus Deutschland einschließlich Österreich. Die Schweizer Grenzpolizei war angewiesen, Juden ohne Visumdie Einreise zu verweigern.

Eine der Fluchtrouten führte südlich am Bodensee vorbei und bei St. Margarethen über die österreichisch-schweizerische Grenze. An diesem Übergang war Paul Grüninger der Verantwortliche für die Schweizer Grenzpolizei. Angesichts der Not der jüdischen Flüchtlinge entschloss sich Grüninger, den Juden zu gestatten, die Grenze zu überqueren. Indem er ihre Einreisevisa vordatierte oder andere Dokumente fälschen ließ, ermöglichte Grüninger mehreren hundert bis wenigen tausend Juden die Flucht in die Schweiz.

Seine Widersetzung zu den Anordnungen wurde entdeckt. Im Frühjahr 1939 wurde der Polizeikommandant vom Dienst suspendiert und dann fristlos entlassen, ein Jahr später wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt. Sein Pensionsrecht wurde ihm entzogen. Zudem musste er die Kosten des Verfahrens übernehmen. Das Gericht erkannte seine altruistischen Beweggründe an, entschied aber trotzdem, dass er als Beamter verpflichtet gewesen wäre, sich an die erlassenen Bestimmungen zu halten.

Als Vorbestrafter geriet er beruflich wie sozial ins Abseits. Seine Tochter Ruth, die zurück zu ihren Eltern zog, um sie in der Zeit zu unterstützen, sagte: „Man sah meinen Vater als Verbrecher an. Ich bekam eine Absage nach der anderen, bis ich in einer jüdischen Textilfirma eine Anstellung fand.“ In den Folgejahren hielt Paul Grüninger sich und seine Familie mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser. Insgesamt lebte die Familie in eher ärmlich zu nennenden Verhältnissen. Seine Tochter wusste um seine Enttäuschung, berichtete aber, dass ihr Vater bis zu seinem Tod betonte, dass er wieder gleich handeln würde.

Am 22. Februar 1972 starb der 80-jährige Paul Grüninger in Sankt Gallen, doch es sollte weitere zwei Jahrzehnte dauern, bis er in den 90er-Jahren zunächst politisch und dann juristisch rehabilitiert wurde. Für den Historiker Stefan Keller, dessen Recherchen auch zur  Rehabilitierung des Polizisten beitrugen, äußerte, dass Grüninger für ihn bis heute ein Vorbild an Zivilcourage ist: „Ich habe natürlich etwas Mühe mit dem Wort Held, aber letztlich war er so ein stiller Held, einer, der einfach das tut, was er für richtig hält, eigensinnig human bleibt, auch wenn es sehr schwierig ist, und damit beweist, dass man etwas machen kann. Man hat später oft behauptet, man hätte damals nichts machen können, und Grüninger beweist eigentlich das Gegenteil: Doch, man konnte etwas machen.“

Der Große Rat von Sankt Gallen beschloss 1998 die Entrichtung einer finanziellen Wiedergutmachung an die Familie Grüninger, welche daraus die Paul Grüninger Stiftung gründete. Im August 2014 rehabilitierte die Kantonspolizei St. Gallen den ehemaligen Polizisten.

Wenigstens eine hohe Wertschätzung Israels durfte Grüninger noch erleben: Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hatte ihn bereits 1971, nachdem sein Handeln 1968 bekannt wurde, in die Liste der «Gerechten unter den Völkern» aufgenommen.

Quellen:

Im Buch „Grüningers Fall“ von Stefan Keller sind weitergehende Informationen zu dem Polizisten aus St. Gallen zu erfahren. Seine Geschichte wurde auch verfilmt („Akte Grüninger“).