Ereignisse München am 05.01.22

Zu den Ereignissen in der Innenstadt von München am 05.01.2022. Einsatz von körperlicher Gewalt, Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt wie des RSG (Reizstoffsprühgerät) und der Einsatz von Waffen, hier Schlagstöcken, durch Einsatzkräfte der bayerischen Landespolizei gegen Bürgerinnen und Bürger.

Ein Kommentar des Vereines Polizisten für Aufklärung e.V.:

Der Verein Polizisten für Aufklärung e.V. lehnt grundsätzlich psychische und physische Gewalt als Konfliktlösungsstrategie ab. Hierbei spielt es keine Rolle, von welcher Personengruppe die psychische und physische Gewalt ausgeht.

Die (bayerische) Landespolizei hat nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) „[…] die allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren“.1 Hierbei wird naturgemäß in die Schutzbereiche diverser Grundrechte eingegriffen. Grundrechte sind u.a. Abwehrrechte der Bürgerin und des Bürgers gegenüber dem Staat. Ein Eingriff wird wie folgt definiert: Jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht. Ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts muss immer ein verfassungslegitimes Ziel haben, die Geeignetheit des Mittels und die Erforderlichkeit des Mittels muss sichergestellt werden und das eingesetzte Mittel muss angemessen und verhältnismäßig sein. Der Wesenskern (nucleo essenziale) des Grundrechts muss dabei erhalten bleiben.

1 Art. 2 Abs. 1 PAG (abzurufen unter: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-2)

Auch  grundsätzliche  Verbote  von  Demonstrationen  müssen  als  Eingriff  in  den Schutzbereich von Art. 8 Abs. 1 GG diesen Anforderungen genügen.

Körperliche Gewalt, der Einsatz von Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt und der Einsatz von Waffen, dürfen grundsätzlich nur als Ultimo Ratio angewandt werden. Hierbei sind die verschiedenen Eskalationsstufen zu beachten. Polizeiliches Einschreiten sollte, soweit möglich, der Deeskalation und der Beruhigung der Einsatzsituation bzw. der polizeilichen Lage dienen.

Polizeiliche Maßnahmen müssen sich an den Verursacher der Gefahr richten. Für die bayerische Landespolizei findet sich hierzu die rechtliche Regelung in Art. 7 Abs. 1 PAG.2    Polizeiliche   Lagen   können   sich   sehr   dynamisch   entwickeln   und   dieEinsatzkräfte müssen die Situation vor Ort schnell einschätzen können. Insbesondere hierfür werden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte fundiert und langjährig ausgebildet.

Die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen muss in einem Rechtsstaat jederzeit darstellbar und überprüfbar sein. Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten kommt als ständigen Waffenträgern eine besondere Verantwortung zu.

Die Beamtinnen und Beamten tragen nach § 36 Abs. 1 BeamtStG  „[…] für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung“.3

Die Bürgerinnen und Bürger müssen darauf vertrauen, dass polizeiliche Einsatzkräfte sich wie Soldatinnen und Soldaten als Staatsbürger in Uniform sehen und damit als Teil der Gesellschaft definieren, professionell und rechtstaatlich handeln. Ansonsten wird langfristig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Institution Polizei leiden und erodieren.

Die aktuelle gesamtgesellschaftliche Situation ist sehr emotionsgeladen. Wir müssen als Gesellschaft zu einem konstruktiven, sachlichen und vor allem gewaltfreien Dialog und gegenseitigen Umgang zurückkehren und Debattenräume öffnen. Wir müssen wieder mehr miteinander als übereinander reden.

2 Vgl. Art. 7 Abs. 1 PAG (abzurufen unter https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-7)

3 § 36 Abs. 1 BeamtStG (abzurufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__36.html)

Die Polizei ist ein wichtiger Teil der Gesellschaft und ein existentieller Bestandteil eines Rechtstaates und darf nicht als einer der vielen Verlierer aus der aktuellen Krise hervorgehen.

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dienen nach § 33 Abs. 1 BeamtStG „[…] dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten“.4

Nicht ohne Grund steht am Anfang unseres Grundgesetzes in Art. 1 Abs. 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“5 Der Mensch ist Subjekt und nicht Objekt staatlichen Handelns. In der aktuellen Situation wird der Mensch auf Grund seines Menschseins und seiner bloßen Existenz zu einer potentiellen Gefahr für andere erklärt. Dieses Menschenbild steht nicht mehr in der Tradition der Aufklärung. Die Werte einer Gesellschaft müssen stärker sein als Angst und Furcht.

Krisen waren schon immer die Zeit der Exekutive. Gerade deswegen müssen wir kritisch und wachsam bleiben.

„Wir werden häufig dazu gezwungen, Standards aufzustellen, die wir selbst nicht erreichen, und Regeln festzulegen, die wir nicht selbst befriedigen können […] Es ist notwendig, auf die schreckliche Gefahr hinzuweisen, die es bedeutet, diese Grundsätze aufzugeben.“6

Lasst uns gemeinsam an einer  friedlichen und gewaltfreien Gesellschaft für alle Menschen arbeiten!

Polizisten für Aufklärung e.V.

4 § 33 Abs. 1 BeamtStG (abzurufen unter https://www.gesetze-im-internet.de/beamtstg/__33.html)

5 Art. 1 Abs. 1 GG (abzurufen unter https://dejure.org/gesetze/GG/1.html)

6 Schirach, Ferdinand von: Die Würde ist antastbar. München 2017., S. 17.