Bevor einen Polizisten der Mut verlässt: Mutigmacher e.V.

Von Andrea Drescher

Mehr und mehr Menschen verlieren den Mut, sich öffentlich zu äußern. Zwei Faktoren spielen eine wesentliche Rolle: Die Angst vor dem Verlust der eigenen Reputation und des sozialen Umfelds einerseits und die Angst vor dem finanziellen Absturz, zum Beispiel durch Verlust des Arbeitsplatzes, andererseits. Und diese Angst ist berechtigt.

Menschen werden massiv diffamiert oder verlieren ihren Job, weil sie sich öffentlich kritisch über die Corona-Maßnahmen äußern.  Bis dato anerkannte Wissenschaftler werden medial verrissen. Dass Michael Fritsch, Polizist aus Hannover, nach seiner Rede bei einer Demonstration gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen in Dortmund suspendiert, gegen Bernd Bayerlein durch das Polizeipräsidium Mittelfranken ein Disziplinarverfahren eröffnet wurde, sorgt bei den Kollegen in der Polizei für Ängste und Verunsicherung, sich gegen bestehendes Unrecht öffentlich zu äußern.

Damit die Menschen sich in unserer Gesellschaft weiter öffentlich äußern können, braucht es also bereits sehr viel Mut – und hier setzt der Verein „Mutigmacher e.V.“ seit Juli 2020 an. Der Verein ermutigt Menschen, bisher unbekannte, aber für die Gesellschaft hoch-relevante Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, auch wenn sie dadurch negative Konsequenzen zu erwarten haben. Man hilft „Whistleblowern“ durch ein großes Netzwerk an Unterstützern aus den verschiedensten Bereichen.  Wer seinem Gewissen folgen und bisher unbekannte Fakten bekannt machen will, kann sich direkt bei den Mutigmachern melden. In einem persönlichen Gespräch, bei dem selbstverständlich absolute Vertraulichkeit herrscht, wird festgestellt, welche Hilfe benötigt wird, um den Betroffenen am besten zu unterstützen.

Die Hilfsangebote sind vielfältig.  Die juristische Beratung hilft bei rechtlichen Fragen, zum Beispiel über den Arbeitsvertrag. Das Netzwerk an Anwälten hilft bei der genauen Einschätzung juristischer Konsequenzen. Um die teilweise sehr starken psychischen Belastungen auszugleichen, die entstehen können, wenn man mit unbequemen Fakten in die Öffentlichkeit geht, gibt es Unterstützung durch professionelle psychologische Beratung. Auch bei finanziellen Nöten können die Mutigmacher unter bestimmten Voraussetzungen Beistand leisten. Die Mutigmacher helfen auch, bei Verlust des Arbeitsplatzes einen neuen Job zu finden und können durch die Zusammenarbeit mit Immobilienbesitzern in vielen Städten auch bei der Wohnungssuche behilflich sein. Ist mediale Unterstützung erforderlich, können dank eines großen Netzwerks innerhalb der Medienbranche Kontakte zu den passenden Medien – Print-, Audio- oder Video-Medium – hergestellt werden.

Im Gespräch erzählt Hardy Groeneveld über die Entwicklung der letzten rd. 18 Monate seit Gründung des Vereins.

Wie viele Projekte habt Ihr bisher gemacht, wie viele Menschen unterstützt?

Genau kann ich das nicht sagen. „Richtige“ Whistleblower knapp 10, wenn man es eng auslegt. Aber wenn man die Menschen zählt, die zwar keine Whistleblower sind, aber die sich melden, weil sie konkrete Probleme haben und denen wir konkret weiterhelfen können, sind das sicher mehr als 500 bisher gewesen. Darüber hinaus sorgen wir für die Verbreitung von interessanten Informationen, die nur durch Soldaten, Polizisten, Lehrer, Ärzte oder Mitarbeiter von Gesundheitsämtern an die Öffentlichkeit gebracht werden können. In Kürze kommt wieder ein sehr interessantes und spannendes Schreiben eines Polizisten. Auch wieder anonym, aber wir kennen ihn. Er ist zwar nicht mehr im Dienst, aber fürchtet um seine Pensionsbezüge.

Wer meldet sich bei Euch?

Es waren gerade am Anfang u.a. viele Lehrer – wegen des Umgangs mit der Maskenpflicht für die Schüler. Die brauchen psychologische Hilfe, wie sie mit der Situation, wie mit den Schülern umgehen sollen. In den letzten Wochen häufen sich die Anfragen aus dem Gesundheitsbereich. Intensivkrankenschwestern, die seit 25 Jahren auf Intensivstation sind und jetzt Angst haben, gefeuert zu werden, weil sie sich nicht impfen lassen wollen.

Seit das Thema Duldungspflicht beim Militär akut ist, nehmen auch die Fälle von Soldaten zu, die mit uns Kontakt aufnehmen. Vorher war es in der ganzen Zeit nur einer, jetzt melden sich immer mehr. Auch ein Soldat aus Österreich war darunter.  Man merkt, der Druck wird höher. Wir werden fast schon überrannt.

Wie helft Ihr den Menschen – ich meine im Falle der Soldaten – konkret?

Zum einen vernetzen wir die Betroffenen untereinander, sodass sie sich auch gegenseitig „moralisch“ stützen können und nicht mehr als Einzelkämpfer unterwegs sind. Zum anderen sorgen wir – dank unserer Kontakte zu den Anwälten für Aufklärung – für rechtliche Unterstützung.

Ihr habt ja auch schon mehrere Polizisten unterstützt?

Ja, neben den bekannten Aktivisten sind es inzwischen schon einige mehr. Am 30.12.2020 haben wir aufgrund einer Initiative von Karl Hilz zu einer Spendenaktion aufgerufen. Es war offensichtlich, dass Geld für die Verfahren, aber auch für Lohnkürzungen aufgrund von Suspendierung, notwendig war. Wir haben die Community gebeten, hier mitzumachen und zu helfen. Es gab eine große Solidaritätswelle und es sind viele Spenden eingegangen, die wir auf einem buchhalterisch getrennten Konto nur für Polizisten verwalten.

Bis heute konnten wir für sämtliche bei uns eingereichten rechtlichen Kosten aufkommen, haben die Kosten für Verfahren und Anwälte durch Zahlung entsprechender Pauschalen übernommen, soweit wir darüber informiert wurden. Auch Gehaltsausfälle konnten wir ausgleichen und haben bis jetzt immer einen Weg gefunden, das alles auch rechtlich korrekt abzurechnen. Rund 15 Polizisten werden auf die eine oder andere Art von uns unterstützt. 

Ist davon noch Geld verfügbar?

Ja. Noch sind Mittel vorhanden. Wir klären immer in Einzelgesprächen, welcher Bedarf besteht und wie man das Geld am sinnvollsten einsetzt. So haben wir für einen Polizisten, der aus dem Beamtenverhältnis entfernt wird, eine Fortbildung bezahlt, sodass er eine Perspektive hat, wie es weiter geht. Es geht uns eben nicht darum, Menschen nur Geld zu geben, sondern nachhaltige Lösung für die betroffenen Menschen zu finden.

Man kann sich also weiter an Euch wenden

Auf jeden Fall. Manchmal reicht es schon, dass wir den Kontakt zu den Kollegen bei den „Polizisten für Aufklärung“ herstellen. Es gab gerade vor kurzem wieder so eine typische Anfrage, die ich dann direkt an Bernd Bayerlein weitergeleitet habe.

Was stand da drin?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich bin Polizeibeamter und würde mich freuen, wenn Sie mir Kontakte zu mutigen Kollegen herstellen könnten, die wie ich aufgrund der Coronamaßnahmen in Gewissensnöte mit dem auf die Verfassung abgeleisteten Eid, gekommen sind.

Ich würde mich auf eine Nachricht von Ihnen sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen

So etwas kommt wirklich häufig vor. Auch aus Österreich haben wir immer mal wieder Anfragen. Und da alle wissen, dass der Kontakt immer absolut vertraulich ist, kann allein das schon einiges bewegen. Wir betreuen den gesamten deutschsprachigen Raum, weil wir dort Kontakte haben und gut vernetzen können.

Wie ist denn nach Deiner Erfahrung die aktuelle Lage bei der Polizei?

Sehr spannend, es melden im Schnitt ein Kollege bzw. eine Kollegin pro Woche, die etwas auf dem Herzen haben, Vernetzung suchen oder Informationen loswerden wollen. Aus den vielen Gesprächen weiß ich, dass es unter der Oberfläche noch viel mehr brodelt. Bei einer Impfpflicht für Polizisten oder Staatsbedienstete wird es vermutlich noch richtig knallen. Viele sind derzeit noch in der Deckung, agieren unter dem Radar. Und dabei handelte es sich um Beamte, die vom Rang noch einiges höher sind als ein Hauptkommissar. Für die ist bei der Impfpflicht die rote Linie erreicht. Dann wird es „interessant“, denn dann werden viele, die bis jetzt noch schweigen endgültig mutig.

Bis dahin trägt Ihr als Verein „Mutigmacher e.V.“ dazu bei, dass mehr Polizisten mutig sein können. Danke dafür!

Letzte Frage: Wie findet man Euch?

Unsere Webseite ist www.mutigmacher.org, die Mail-Adresse ist info@mutigmacher.org. Und ganz wichtig nochmal zum Abschluss: Wir arbeiten zu 100% vertraulich.

Anmerkung in eigener Sache

Ich habe sowohl mit Hardy Groeneveld als auch mit mutigen Polizisten wie Bernd Bayerlein, Michael Fritsch und Karl Hilz Interviews für mein Mutbuch „Menschen mit Mut“ geführt, das im Mai 2021 erschien. Da der Ertrag dieses Buches zu 100% Kriegsopfern zugutekommt, möchte ich die Gelegenheit für ein bisschen Werbung nutzen.

Das Buch soll ebenfalls motivieren, mutig zu sein. Es fordert auf, das zu tun, woran man glaubt. Es möchte helfen, dem Druck standzuhalten, auch wenn man sich in einer Minderheit wähnt. Es gibt viel mehr mutige Menschen, als man denkt. Man muss sie nur finden. Im Buch findet man viele.

www.menschen-mit-mut.eu

Bildquelle: Mutigmacher

Erstveröffentlichung auf der Frischen Sicht