Fragen zur Durchsuchung bei Lars Oberndorf ???
Vom Polizeirecht und von der Polizeitaktik
-Fragen zur Hausdurchsuchung bei Björn Lars Oberndorf-
Der Sachverhalt
Am 22. März 2023 wurde im Ruhrgebiet ab 6 Uhr das Haus von Björn Lars Oberndorf, dem Vorsitzenden des Vereins „Polizisten für Aufklärung“, und seiner Lebensgefährtin durchsucht. Die Einsatzkräfte gelangten mit den extra angeforderten Beamten der GSG 9 in die Räume. Die Durchsuchung dauerte über sechs Stunden. Insgesamt waren rund
25 Polizisten sowie ein Gemeindebeamter an der Aktion beteiligt. Grund für das Vorgehen: Es lag ein Beschluss zur Durchsuchung gemäß § 103 StPO (Durchsuchung bei anderen Personen, also dem Nichtverdächtigen in einem Strafverfahren) einer Richterin des Bundesgerichtshofs vor. Neben der strafprozessualen Hausdurchsuchung wurde auch die Lebensgefährtin aus gefahrenabwehrenden Gründen durchsucht. Herr Oberndorf wurde zudem zwischenzeitlich mittels Kabelbinder gefesselt.
Schnellübersicht zu diesem Artikel
Es sind in den folgenden Zeilen Erörterungen in polizeirechtlicher und -taktischer Hinsicht zu lesen, die verknüpft werden mit gezielten Fragen zu dem Sachverhalt. Diese sollen dem Leser (Genus, nicht Sexus) die Möglichkeit geben, in verständlicher Form einen Teilbereich des Polizeirechts und der Polizeitaktik zu erkennen, so dass er sich eine fachliche Diskussionsgrundlage schaffen kann. Vorab sind in dieser Schnellübersicht die Fragen in teils gekürzter Form bereits formuliert. So können die Themen stringent von jedem erarbeitet werden.
Frage: Welche Tatsachen lagen dem Generalbundesanwalt und der anordnenden Richterin vor, die das Auffinden von bestimmten Beweismitteln nachvollziehbar vermuten ließen?
Frage: Welche Einengung des Ermessenspielraums bei der Auswahl der Ermittlungsvarianten lag vor, dass das Haus von Herrn Oberndorf und seiner Lebensgefährtin durchsucht werden musste?
Frage: Sehen der Generalbundesanwalt, die anordnende Richterin sowie alle am Einsatz beteiligten Beamten mit der Hausdurchsuchung bei dem Zeugen Oberndorf und seiner Lebenspartnerin die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den Punkten der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und des zeitliches Übermaßverbots als erfüllt an?
Frage: Welchen Grund gab es, die Beamten der Sondereinheit GSG 9 das Haus von Herrn Oberndorf, dem potentiellen Zeugen in einem Strafverfahren, und seiner Lebensgefährtin unter Anwendung von unmittelbarem Zwang gegen Sachen (Terrassentür bzw. Sicherheitsjalousie) stürmen zu lassen?
Frage: Welche Rechtsgrundlage haben die Polizisten bei der Personendurchsuchung von der Lebensgefährtin von Herrn Oberndorf erkannt?
Frage: Wie begründen die Polizisten rechtlich die Anwendung von unmittelbarem Zwang in Form der Fesselung bei Herrn Oberndorf?
Frage: Wer war verantwortlich für die Beurteilung der Lage, die zu dem Entschluss der Hinzuziehung der GSG 9 und deren gewaltsames Eindringen in das Haus führte?
Frage: Welches sind die bestimmten Beweismittel in Form von Dateien, nach denen der Generalbundesanwalt und die ihm unterstellten Beamten suchen werden?
Das Wesen eines jeden polizeilichen Handelns: Polizeirecht und Polizeitaktik
Jedem Polizeieinsatz wohnen zwei wesentliche Komponenten inne: Das Polizeirecht und die Polizeitaktik. Polizeitaktische Maßnahmen dürfen nur auf Grundlage des Polizeirechts durchgeführt werden, und das Polizeirecht kann nur mit der entsprechenden Polizeitaktik, im Wesenskern mit ausreichenden Polizeikräften und den richtigen Führungs- und Einsatzmitteln, durchgeführt werden. Es kann zum Beispiel in einer polizeilichen Lage vorkommen, dass alle rechtlichen Gegebenheiten für ein Einschreiten vorhanden sind, aber das entsprechende Personal fehlt. Anderseits kann es sein, dass trotz genügender Beamter am Einsatzort eine beabsichtigte Maßnahme daran scheitert, weil keine Ermächtigungsgrundlage für einen Grundrechtseingriff vorliegt. Jeder erfahrene Polizeibeamte weiß aus eigenem Erleben um derartige Fälle.
Rechtmäßigkeit der Amtsausübung
Jedes polizeiliche Handeln mit Eingriffscharakter muss sich orientieren an der Recht-mäßigkeit der Amtsausübung. Im Mittelpunkt steht dabei die materielle Rechtmäßigkeit mit dem Vorliegen einer Ermächtigungsgrundlage und den zusätzlichen Elementen der fehlerfreien Anwendung des pflichtgemäßen Ermessens sowie der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Hinzu kommen Form- und Verfahrensvorschriften. Erst wenn alle Aspekte als rechtmäßig eingestuft werden können, darf, sofern der Adressat der Maßnahme sich nicht den polizeilichen Aufforderungen fügt oder mit Beginn des Einsatzes die Wahrscheinlichkeit besteht, dass er das nicht tun wird, unmittelbarer Zwang angewendet werden.
Der Zeuge im Strafverfahren und die Durchsuchung seines Hauses
Herr Oberndorf kam als Zeuge in einem Strafverfahren in Betracht. Eine Vernehmung verbunden mit der entsprechenden Vorladung zur ermittelnden Staatsanwaltschaft regelt der
§ 161 a StPO. Vorladung und Vernehmung können gemäß § 161 StPO an die Polizei delegiert werden. Offenbar vermutete die Generalstaatsanwaltschaft des Bundes, dass Herr Oberndorf in seinem Haus ohne sein Wissen Beweismittel hatte. Es erfolgte ein Antrag beim Bundesgerichtshof für eine (Haus)Durchsuchung gemäß § 103 StPO (Durchsuchung bei anderen Personen).
Frage: Welche Tatsachen lagen dem Generalbundesanwalt und der anordnenden Richterin vor, die das Auffinden von bestimmten Beweismitteln nachvollziehbar vermuten ließen?
Pflicht zur Ermittlung und Auswahl der Mittel zur Aufklärung der Straftat
Die ermittelnde Behörde unterliegt dem Legalitätsprinzip (§ 152 (2) StPO für die Staats-anwaltschaft, § 163 (1) StPO für die Polizei). Das bedeutet, dass der Generalbundesanwalt und die Polizei Ermittlungen hinsichtlich des ihnen bekannten Straftatverdachts führen müssen. Weitere Regelungen sind in § 160 StPO (Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung) zu finden:
(1) Sobald die Staatsanwaltschaft durch eine Anzeige oder auf anderem Wege von dem Verdacht einer Straftat Kenntnis erhält, hat sie zu ihrer Entschließung darüber, ob die öffentliche Klage zu erheben ist, den Sachverhalt zu erforschen.
(2) Die Staatsanwaltschaft hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln und für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen, deren Verlust zu besorgen ist.
(3) Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sollen sich auch auf die Umstände erstrecken, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind. Dazu kann sie sich der Gerichtshilfe bedienen.
(…)
Für die Aufklärung des Sachverhalts ist das Entschließungsermessen (das „Ob“?) auf Null reduziert. Es musste ermittelt werden. Hinsichtlich des Auswahlermessens (das „Wie“?) gibt es aber eine gewisse Breite an Ermittlungsmöglichkeiten. Staatsanwaltschaft und Polizei sollen flexibel bei der Aufklärung der Straftat handeln können. Die Ermessensentscheidung auch bei der Auswahl der Mittel muss pflichtgemäß getroffen werden, also gebunden anRecht und Gesetz.
Frage: Welche Einengung des Ermessenspielraums bei der Auswahl der Ermittlungsvarianten lag vor, dass das Haus von Herrn Oberndorf durchsucht werden musste?
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (GdV)
Der GdV ist Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Menschen im Verhältnis zum Staat und dessen Handlungen. Es darf demnach nur soweit in die Freiheitsrechte eingegriffen werden, wie es zum Schutz der öffentlichen Interessen unerlässlich ist. Er ist ein übergreifender rechtsstaatlicher Leitsatz allen staatlichen Handelns mit Verfassungsrang. Das bedeutet, dass sich der Staat in seinen Handlungen Grenzen setzt. Jede staatliche Maßnahme mit einem Grundrechtseingriff beinhaltet zwangsläufig die Prüfung des GdV und muss sich an ihm messen lassen. Auch für das polizeiliche Tätigwerden besitzt der GdV einen bindenden Charakter. Motto: Es erfolgt ein Minimum an Grundrechtseinschränkung(en), um das behördliche Ziel zu erreichen.
Devisen wie „Der Zweck heiligt die Mittel“ oder „Das staatliche Ziel muss mit allen Mitteln erreicht werden“ dürfen nicht die Richtschnur eines rechtsstaatlichen Handelns sein. Selbst erforderliche Mittel können rechtswidrig sein, wenn sie zu einem Nachteil führen,
der zum angestrebten Erfolg außer Verhältnis steht. Der GdV ist somit ein Regulierungsinstrument für formal richtiges Handeln aller staatlichen Institutionen.
Der GdV enthält folgende Punkte: Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit und zeitliches Übermaßverbot
Unter der Geeignetheit versteht man die objektive Zwecktauglichkeit der Maßnahme. Sie ist dann geeignet, wenn mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg (das polizeiliche Ziel) erreicht werden kann (… Schritt in die richtige Richtung …). Es kommt nicht auf die nachträgliche Betrachtung an, sondern darauf, ob die Behörde zum Zeitpunkt der Entscheidung des Tätigwerdens ihre Maßnahme (… des Vorliegens der Gefahr …) als geeignet ansehen konnte. Es wird keine absolute Geeignetheit des Mittels verlangt. Eine Teileignung reicht aus.
Erforderlichkeit (Grundsatz des mildest-möglichen Mittels): Bei mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen, die zur Zielerreichung führen könnten, muss eine Auswahl getroffen werden. Es ist das Mittel auszuwählen, welches voraussichtlich den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen wird und dennoch zum Ziel führt. Eine staatliche Maßnahme ist demnach dann erforderlich, wenn keine anderen einschränkenden Mittel gewählt werden können, die die gleiche Wirksamkeit haben. Ggf. ist ein Austauschmittel, wird es von einem Betroffenen vorgeschlagen, zuzulassen, sofern es die gleiche Wirksamkeit hat.
Frage: Gab es ein milderes Mittel als das der Hausdurchsuchung, um in den strafrechtlichen Ermittlungen weiter voranzukommen?
Angemessenheit (Zweck-Mittel-Relation): Diese beinhaltet eine Abwägung zwischen den belastenden Auswirkungen der getroffenen (beabsichtigten) Maßnahme und dem zu erwartenden Erfolg. Die polizeiliche Handlung darf nicht zu einem Nachteil führen, der zum Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Das erreichte Ziel darf nicht in einem krassen Missverhältnis zu den Grundrechtseinschränkungen („… mit Kanonen auf Spatzen schießen …“) stehen. Es findet hier stets eine Abwägung des zu schützenden Rechtsguts und des beeinträchtigten Grundrechts statt.
Auf der einen Seite stand der Strafanspruch des Staates mit dem Ziel, das Ermittlungs-verfahren zu vervollständigen. Auf der anderen Seite wurde in die Grundrechte von Herrn Oberndorf und seiner Lebenspartnerin eingegriffen. Im Mittelpunkt stand dabei der
Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung). Zumindest tangiert wurden aber auch
Art. 2 (1) GG (Freie Entfaltung der Persönlichkeit), Art. 2 (2 Satz 1) (Recht auf körperliche Unversehrtheit), Art. 2 (2 Satz 2) (Freiheit der Person) und Art. 14 GG (Recht auf Eigentum). Es wäre auch denkbar, dass das staatliche Vorgehen in dem Haus von Herrn Oberndorf auf ihn eine Art präjudizierende Wirkung entfalten könnte. Verbunden damit könnte er sich als Fernwirkung in seine Grundrechte aus Art. 5 (1) (Meinungsfreiheit), Art. 9 (1) (Ver-einigungsfreiheit), Art. 10 (1) (Brief- und Postgeheimniss) und Art. 12 (1) (Berufsfreiheit) GG eingeschränkt sehen. Hinzu kommt, dass die Hausdurchsuchung mit dem massiven Aufgebot an Polizeikräften in der Nachbarschaft von Herrn Oberndorf nicht unbemerkt blieb. Die Nachbarn können die Sachlage der Durchsuchung einschließlich des Umstands, dass Herr Oberndorf lediglich Zeuge in einem Strafverfahren ist, nicht kennen. Dieser Einsatz könnte dafür sorgen, dass Herr Oberndorf und seine Lebensgefährtin in ihrer Umgebung nicht mehr als „unbelastet“ angesehen werden.
Frage: Wurde der Grundsatz der Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) von allen am Einsatz beteiligten Menschen (auch die, die nicht mit am Einsatzort waren) eingehalten?
Zeitliches Übermaßverbot: Eine Maßnahme darf nur so lange dauern, bis ihr Zweck erfüllt ist oder erkannt wird, dass das behördliche Ziel nicht erreicht werden kann. Der Einsatz dauerte über sechs Stunden, obwohl ja gemäß § 103 StPO nur nach bestimmten Gegenständen gesucht werden durfte.
Frage: Wurde das zeitliche Übermaßverbot beachtet?
Zusammenfassende Frage: Sehen der Generalbundesanwalt, die anordnende Richterin sowie alle am Einsatz beteiligten Beamten mit der Hausdurchsuchung bei dem Zeugen Oberndorf und seiner Lebenspartnerin die Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in den Punkten der Erforderlichkeit, der Angemessenheit und des zeitliches Übermaßverbots als erfüllt an?
Einsatz der GSG 9
Wenn es hinsichtlich der rechtlichen Komponenten für die Hausdurchsuchung Fragen gibt, die nach derzeitigem Kenntnisstand nicht eindeutig zu beantworten sind, ergeben sich bezüglich der Hinzuziehung der GSG 9 auch Unklarheiten. Diese Einheit wird, so die Aufgabenbeschreibung, insbesondere eingesetzt für die Bekämpfung von Terrorismus sowie der Schwerst- und Gewaltkriminalität.
Frage: Welchen Grund gab es, die Beamten der Sondereinheit GSG 9 das Haus von Herrn Oberndorf, dem potentiellen Zeugen in einem Strafverfahren, und seiner Lebensgefährtin unter Anwendung von unmittelbarem Zwang gegen Sachen (Terrassentür bzw. Sicherheitsjalousie) stürmen zu lassen? Wenn sein legaler Waffenbesitz als Begründung angeführt wird, dann stellt sich die Frage, welche Erkenntnisse vorlagen, dass er die Waffen missbräuchlich hätte verwenden können? Weiter: Gab es keine Alternativen, die unterhalb der Schwelle des Einsatzes der GSG 9 mit der gewaltsamen Erstürmung des Hauses gelegen hätten?
Durchsuchung von der Lebensgefährtin von Herrn Oberndorf
Die Personendurchsuchung erfolgte aus gefahrenabwehrenden Gründen. Die Rechtsgrundlage könnte im Bundespolizeigesetz (sofern nicht: Die landesrechtliche Regelung in NRW ist nahezu gleichlautend) zu finden sein.
§ 43 (1) BPolG Durchsuchung einer Person: Die Bundespolizei kann (…) eine Person durchsuchen, wenn
1. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten werden kann,
2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen,
(…)
Die Vernehmung eines Zeugen ist nicht verbunden mit der rechtlichen Möglichkeit einer freiheitsentziehenden bzw. -beschränkenden Maßnahme. Ob die Lebensgefährtin überhaupt als Zeugin in dem Ermittlungsverfahren geführt wird, ist fraglich. Sie hätte genau wie Herr Oberndorf die Möglichkeit gehabt, das Haus während der Durchsuchung zu verlassen. Das heißt, dass § 43 (1) Nr. 1 BPolG für eine Durchsuchung der Lebensgefährtin nicht in Frage kam. Auch die Nummer 2 scheidet als Rechtsgrundlage aus. Es bleibt als rechtliche Variante der Absatz 3 aus § 43 BPolG:
Die Bundespolizei kann eine Person, deren Identität nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, Explosionsmitteln und anderen gefährlichen Gegenständen durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz des Beamten der Bundespolizei, der Person selbst oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.
Die Identität von den beiden Hausbewohnern stand mit dem Betreten der Räume durch die Einsatzkräfte fest. Des Weiteren wiesen sich die beiden Personen durch Bundespersonalausweise gegenüber den Einsatzkräften aus. Die klassische Eigensicherungs-durchsuchung erscheint mit dem Wortlaut dieser gesetzlichen Regelung nicht erfüllt zu sein.
Frage: Welche Rechtsgrundlage haben die Polizisten bei der Personendurchsuchung von der Lebensgefährtin von Herrn Oberndorf erkannt? Die entsprechenden Tatbestandsmerkmale für diesen Rechtseingriff aus dem BPolG lagen offensichtlich nicht vor.
Fesselung von Herrn Oberndorf
Herr Oberndorf wurde zwischenzeitlich auf einen Stuhl gesetzt und mittels Kabelbinder fixiert. Dabei handelt es sich um eine Maßnahme des unmittelbaren Zwangs mit dem Einsatz eines Hilfsmittels der körperlichen Gewalt. Wir nehmen an, dass hier der § 8 UZwG des Bundes beim Vorgehen der GSG 9 seine Gültigkeit hat. Die Regelung zur hoheitlichen Fesselung von Menschen ist in allen Polizeigesetzen des Bundes inhaltsgleich.
Wer im Gewahrsam von Vollzugsbeamten ist, darf gefesselt werden, wenn
1. die Gefahr besteht, daß er die Vollzugsbeamten oder Dritte angreift, oder wenn er Widerstand leistet; 2. er zu fliehen versucht oder wenn bei Würdigung aller Tatsachen, besonders der persönlichen Verhältnisse und der Umstände, die einer Flucht entgegenstehen, zu befürchten ist, daß er sich aus dem Gewahrsam befreien wird; 3. Selbstmordgefahr besteht.
Auch wenn Polizisten oftmals eine Fesselung mit der knappen Formulierung „zur Eigensicherung“ begründen ist festzuhalten, dass der Gesetzgeber diese Rechtsvariante nicht vorgesehen hat.
Frage: Wie begründen die Polizisten rechtlich die Anwendung von unmittelbarem Zwang in Form der Fesselung bei Herrn Oberndorf?
Beschlagnahme
Beschlagnahmt wurden bei Herrn Oberndorf ein PC sowie zwei Festplatten. Ich bringe der Ermittlungsbehörde hier das Vertrauen entgegen, dass es sich bei der Durchsicht der Dateien um keine Form einer Ausforschung bzw. generellen Sichtung handelt.
Frage: Welches sind die bestimmten Beweismittel in Form von Dateien, nach denen der Generalbundesanwalt und die ihm unterstellten Beamten suchen werden?
Beurteilung der Lage und der folgerichtige Entschluss
Mit dem Vorliegen des richterlichen Beschlusses zur Hausdurchsuchung musste von dem Polizeiführer des Einsatzes eine Beurteilung der Lage vorgenommen werden. Diese soll in jedem Polizeieinsatz zum folgerichtigen Entschluss führen, so dass in effizienter Form mit den Einsatzkräften und entsprechenden Einsatzmitteln das Ziel erreicht werden kann.
Frage: Wer war verantwortlich für die Beurteilung der Lage, die zu dem Entschluss der Hinzuziehung der GSG 9 und deren gewaltsames Eindringen in das Haus führte? In welchen hierarchischen Ebenen ist die Entscheidung getroffen worden? Wer hatte die abschließende Anordnungskompetenz? Wer war mit zeichnungsberechtigt? Wer wurde angesichts der Bedeutung des Einsatzes vorab in Kenntnis gesetzt?
Abschließende Bemerkung: Aus allen Aspekten des Rechtsstaats mit seinen Bestimmungen für Rechtseingriffe sowie den polizeitaktischen Elementen, für die unter anderem die Polizeidienstvorschrift 100 gilt, sollten die gestellten Fragen ihre Beantwortungen von den Verantwortlichen auch für die Öffentlichkeit erfahren.
Thomas Willi Völzke